wood ’n’ stones

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Unterwegs am Bosporus Geschichten aus Istanbul

Retro

Auf der Suche nach einem Restaurant laufen Tim und ich nachmittags durch eine überdachte Seitenstraße. Plötzlich führt links eine Treppe nach unten. Außen steht ein Schild: „Retro“. Na gut, schauen wir uns mal an. Wir steigen hinab. Unten hängen Unmengen von Kleidern, Mänteln und Sakkos. Über mehrere Gänge ergibt sich ein wahres Paradies für Fans von alten Klamotten. Die Lampen geben nur schwaches Licht, aus den Lautsprechern kommt der Gesang eines Kinderchors. Eine Verkäuferin fragt uns, ob sie weiterhelfen kann. Sie trägt eine schwarze Sonnenbrille und riecht nach Terre D’Hermes. Wir danken, schauen uns aber erst einmal um. Und finden im dritten Gang ein graues Jackett mit einem Aufnäher des „Wardenburger Schützenvereins“. Wir kaufen es nicht.


Football is looking

Trotz Regens fahren Markus, Giovanni und ich Samstag Mittag an den Stadtrand Istanbuls, um mit Ismail und seinen türkischen Kommilitonen auf dem Uni-Kunstrasenplatz zu kicken. 7 gegen 7 auf Kleinfeld. Nach zwanzig Minuten gehe ich in einen Zweikampf mit dem gegnerischen Stürmer. Leider knickt dieser unglücklich um und muss ins Krankenhaus. Guter erster Eindruck der Erasmus-Studenten. Ein Türke fährt mit ihm mit. Daher spielen wir dann nur noch 6 gegen 6.

Und ich habe in meiner Kreisliga-Karriere schon mit vielen egoistischen ballverliebten Jungs zusammengespielt. Aber die zwei Türken, die unser Erasmus-Team komplettieren, übertreffen alle. Da wird nicht mal hochgeguckt. Nur rein ins Dribbling und alleine aufs Tor. Und das trotz begrenzter fußballerischer Fähigkeiten. „Paaaass! Paaaaass the baaaal!“, ruft Giovanni. Ohne Erfolg. Unser türkischer Torwart bemerkt unsere Unzufriedenheit: „Yes, that’s the problem with Turkish Football players. Always alone. No passing.“ Ich denke mir, na gut, wir sind ja das erste Mal dabei, passt schon. Nicht so Giovanni. In einer Spielunterbrechung schnappt sich der Italiener einen der Türken: „Football is looking! Paaaaass! We are one team! You go always alone!“ Der Türke ist nicht sehr kritikfähig und winkt genervt ab. Giovanni gibt aber nicht auf: „No, look, look.“ Ein Bild für die Götter, wie er dann versucht, dem uninteressierten Türken mit Körpersprache den Fußball zu erklären. Erfolg hat er nicht. Eine Minute später rennt der Türke wieder in zwei Abwehrspieler rein. „Mamma Mia!“, ruft Giovanni. „Paaaass the ball!“


Wetter

Mein Mitbewohner und ich wollen in der Stadt einen Kaffee trinken. Im Flur zieht er sich noch seine Schuhe an. „Laurenz, how is the weather today? Which jackett?“, fragt er mich. „Hm, we will see when we leave the house“, sage ich. Er lacht. „Nice. You are getting more Turkish. German style would be to have a look from the balcony first.“ Wir gehen die Treppen runter. Draußen scheint die Sonne.


Postkarte

Mein Vater schickt gerne Postkarten. Daher gebe ich ihm meine türkische Adresse. „Do we receive post at home?“, frage ich meinen Mitbewohner. Ja. Für wichtige Briefe gibt es allerdings ein externes Postfach. Warum das sinnvoll ist, merke ich schnell. Zwar hängen im Hausflur kleine Briefkästen, aber jede Sendung landet auf einem kleinen viereckigen Tisch davor. Hier mischen sich Rechnungen mit Immobilienanzeigen und McDonalds-Gutscheinen. Auf einen Brief meiner deutschen Versicherung warte ich etwa einen Monat. Wahrscheinlich liegt er zwischen den Gutscheinen. Doch eines Nachts komme ich gegen zwei Uhr nach Hause. Auf dem Boden im Eingangsflur sehe ich eine vertraute Handschrift. Eine Postkarte von meinem Vater.


Champagner und Candy

Das Angebot zum Ausgehen ist in Istanbul unermesslich. In allen Varianten lässt es sich hier feiern: Deutsche und englische Elektro-DJs legen in kleinen Schuppen auf, während einen Club weiter eine türkische Pop-Band auftritt. Auf dem Weg durch die Straßen ist den Beats von David Guetta kaum zu entgehen und LED-Reklamen werben für die besten Getränkeangebote. Wie kann man sich da als Club noch abgrenzen? Zwei Bars überlegen sich immer wieder neue Mottoparties, um Erasmus-Studenten anzulocken. Nach „TONIGHT!!! Erasmus Pyjama Party – Free Entrance“, „TONIGHT!!! Candy Factory Erasmus Party – Free Entrance“ und „Champagne Showers Erasmus Party“ gab es gestern Abend ein besonderes Schmankerl: „Erasmus Nutella Party by The Best Party Life“. Pyjama, Candy, Champagner und dann auch noch Nutella. Wenn dem Chéz Heinz in Hannover die Ideen ausgehen sollten, findet es in Istanbul genug Anregungen.

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