WG-Gemeinschaft
Um Mitternacht ist Anpfiff vom EM-Achtelfinale Italien gegen Spanien. Ramez und ich fahren mit dem Taxi zum “Beer & Cheese House”, einer der wenigen Bars in Taipei, die mitten in der Nacht Fußball zeigen. Auf einmal merken wir, dass am Nachbartisch unser Mitbewohner Jerry aus Virginia sitzt. Er ist schon völlig betrunken und stößt fröhlich mit uns an. Wir sind nun seit fünf Wochen Mitbewohner. Wir sind noch nicht die besten Freunde, aber wir sind Mitbewohner. Nach dem Abpfiff wollen wir zu dritt ein Taxi nehmen. Also Jerry will erst einmal noch gar nicht, er will noch in der Bar bleiben und läuft hinter die Theke, um sich ein Bier zu zapfen, aber die Barkeeper schaffen es schließlich, den letzten verbliebenen Gast vor die Tür zu schieben. Ramez setzt sich direkt nach vorne, Jerry und ich sitzen auf der Rückbank. Auf einmal zündet er sich neben mir genüsslich eine Zigarette an. Der Taxifahrer bleibt zum Glück entspannt, er atmet nur einmal tief durch. Dann tickt mich Jerry von der Seite an. “Hey man, are you also as tired as me?”, lallt er mir ins rechte Ohr. Joa, ich bin auch schon ziemlich müde, sage ich. Jetzt starrt mich Jerry an. “Man”, ruft er laut, “man, where do you actually live?” Ramez muss vorne schon laut lachen, ich versuche mich zusammenzureißen und antworte: “Next door, man… Actually, I am your flatmate.” Jetzt ist es ganz kurz still im Taxi. “Well…”, sagt Jerry, “this conversation went awkward.” Dann mustert er mich noch einmal irritiert, schweigt und lässt sich vor einem McDonald’s raussetzen.
- 7. Juli 2016
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