Ronaldo erklärt das Leben
Im malerischen Viñales laufen wir bei Mittagssonne durch die Tabakfelder. Bei einer großen Plantage halten wir und probieren eine frisch gedrehte kubanische Zigarre. Dazu reicht der Plantagenbesitzer großzügig durchsichtigen Rum aus der Plastikflasche, das Glas säubert er zuvor mit ein paar Tropfen Wasser und reibt es dann in seinem Hemd trocken. Leicht angeheitert kaufen wir ihm jeder direkt fünfzehn Zigarren ab und laufen weiter. Irgendwann erreichen wir eine stockdunkle Höhle, vor der ein paar kubanische Männer sitzen. Uns führt dann ein kleiner kubanischer Junge mit riesiger Taschenlampe durch das Dunkel. Als wir wieder draußen sind, meint er: „Yo voy con vosotros.“ Dabei wissen wir noch gar nicht, wohin wir wollen. Kein Problem, ab jetzt sind wir zu dritt, zwei deutsche Studenten mit Caps und Laufschuhen und ein kleiner kubanischer Junge mit Strohhut und Gummistiefeln. Der Junge stellt sich als Ronaldo vor, sei aber nicht zu verwechseln mit dem Fußballspieler Cristiano Ronaldo. Ach so. Er ist zwölf, kommt direkt aus Viñales und war heute schon in der Schule. Seine Nachmittage verbringt er am liebsten bei der Höhle. Ob wir denn schon Kinder hätten, fragt Ronaldo. Ne, wir sind doch erst 23, meine ich. Er lacht laut: „Pfff, veintitrés?“ Dann werde es Zeit für uns, meint er. Wir unterhalten uns eine halbe Stunde über Fußball (Real Madrid sei ja sowieso der einzig wichtige Verein), Alkohol (an seinem letzten Geburtstag durfte er das erste Mal einen Schluck Rum probieren) und Frauen (kubanische Frauen seien für ihn die schönsten der Welt). Irgendwann müssen wir uns verabschieden – wir gehen zurück zu unserer Casa, Ronaldo bleibt zwischen den Tabakfeldern stehen und grinst uns unter dem Strohhut an. Er kaut auf einem Grashalm.
- 8. Mai 2017
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